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Den Eigensinn stärken – Tipps für mehr Selbstbestimmung, Kraft und Lebensfreude

    Kürzlich haben wir einen Artikel zum Thema Eigensinn veröffentlicht und wie er dabei helfen kann Depressionen, Erschöpfungszuständen und Burnout vorzubeugen. (Du kannst den Artikel hier nachlesen.) Natürlich gibt es eine Vielzahl von so genannten Resilienzfaktoren, die uns dabei helfen mit Herausforderungen und Krisen gelassener umzugehen und selbst schwierige Situationen mit einer positiven Einstellung zu meistern. Heute wollen wir noch einen genaueren Blick auf den Faktor Eigensinn werfen – und darauf, was man tun kann, um endlich eigensinnig(er) zu werden!

    Eigensinn hat ein Image-Problem, ganz besonders bei Frauen. Ihm haftet zu Unrecht ein schlechter Ruf an, da er häufig mit Egoismus verwechselt wird. Dabei ist eigensinniges Verhalten nicht unbedingt ich-bezogen; es gibt sowohl den eigenen Bedürfnissen als auch denen der Menschen in unserem Umfeld Raum. Eigensinnige Menschen denken nicht „nur an sich selbst“, sie verlieren sich, ihre Wünsche und Anliegen aber auch nicht so leicht aus den Augen. Am Ende, so könnte man den Gedanken weiterspinnen, sind eigensinnige Menschen sogar alles andere als egoistisch! Immerhin kümmern sie sich gut um sich selbst, achten auf sich und ihre Energie und haben somit auch mehr Möglichkeiten und Ressourcen, um sich wohlwollend um die Bedürfnisse der Menschen in ihrem Umfeld zu kümmern.

    Den Eigensinn stärken

    Fehlt der Eigensinn, machen sich schnell verschiedenste „Symptome“ bemerkbar. In der einen oder anderen der nachfolgenden Aussagen finden wir uns wahrscheinlich alle von Zeit zu Zeit wieder. Deshalb haben wir einige praktische Tipps für den Alltag zusammengestellt, wie Sie Ihren Eigensinn stärken und so (wieder) zu mehr Kraft und Lebensfreude finden können.

    „Ich habe häufig das Gefühl, von anderen ausgenutzt zu werden.“
    „Ich kann mich einfach nicht durchsetzen.“
    „Ich fühle mich ausgebrannt und leer.“

    Die Situation

    Du bist nett. Zu nett. Im Grunde bist du der netteste Mensch der Welt. Wenn dich jemand um einen Gefallen bittet, sagst du ja, bevor du überhaupt daran denkst, dich zu fragen, ob du das wirklich willst. Wenn deine Familie dich braucht, bist du immer für alle da. Wenn die Kolleg*innen in der Arbeit mit einer Aufgabe nicht rechtzeitig fertig werden, springst du bereitwillig ein. Wenn sich die Schwiegereltern sonntags zum Mittagessen ankündigen, reagierst du positiv – obwohl du lieber in Jogginghosen auf dem Sofa bleiben würdest. Vielleicht weißt du manchmal sogar gar nicht, was du selbst willst – fast so, als ob du das Gefühl für deine eigenen Bedürfnisse verloren hättest. Du bist everybody’s darling – und unglücklich.

    Der Weg zu mehr Eigensinn

    Verlass die Nettigkeitsfalle. Wie das geht? Bevor du bereitwillig auf die Bedürfnisse anderer Menschen eingehst:

    • Halte einen Moment inne. Wenn du häufig ganz automatisch Zusagen machst, verschaff dir Zeit, indem du zum Beispiel sagst: „Darüber werde ich nachdenken.“
    • Stelle dir die Frage: „Will ich das wirklich? Oder will ich vielleicht etwas anderes? Was ist mein Bedürfnis?“
    • Gib dir selbst Raum: „Ich bin auch wichtig. Meine Bedürfnisse zählen ebenfalls.“
    • Frage dich: „Muss ich die Erwartungen der anderen erfüllen? Warum sind mir diese Erwartungen wichtiger als meine eigenen?“
    • Mache dir bewusst: „Ich muss mich anderen nicht erklären. Wenn ich meinem Bedürfnis folge, schulde ich niemandem eine Begründung oder gar Rechtfertigung.“
    • Sage NEIN, wenn das deinem Bedürfnis entspricht. Wenn es dir schwerfällt, versuche es zum Beispiel mit: „Ich fühle mich damit nicht wohl.“
    • Bleibe standhaft und verleihe deinem Anliegen durch eine klare Formulierung Nachdruck.

    „Ich fühle mich nicht gesehen.“

    Die Situation

    Du bist ein bescheidener Mensch. Im Mittelpunkt zu stehen bereitet dir Unbehagen und deine Stärken möchtest du nicht allzu sehr hervorheben – vermutlich würdest du befürchten, das könnte auf andere arrogant oder gar selbstherrlich wirken. Wenn du auffällst, dann bitte nur durch deine herausragenden Leistungen, dein freundliches Wesen und deine Hilfsbereitschaft. Es ist dir wichtig, von anderen gemocht zu werden und Konflikte möglichst zu vermeiden. Deshalb kehrst du Unangenehmes lieber unter den Teppich, als es offen und direkt anzusprechen.

    Der Weg zu mehr Eigensinn

    Mach dein Umfeld auf dich und deine Stärken aufmerksam – und zwar authentisch!

    • Sprich es aus, wenn dir etwas gut gelungen ist. Trau dich, andere auf deine Kompetenz hinzuweisen, anstatt darauf zu warten, dass sie es von selbst bemerken.
    • Übernimm Verantwortung für deine Leistungen. Schreib sie nicht dem „Glück“, dem „Zufall“ oder anderen äußeren Umständen zu.
    • Sei offen und gib anderen Menschen Einblicke in das, was dich bewegt und beschäftigt. Dein Umfeld wird darauf ebenfalls mit Offenheit und Interesse reagieren.
    • Bleib authentisch und bei den Tatsachen. Das bedeutet, dass du weder mehr scheinen musst, als du bist, noch deine Stärken und Kompetenzen kleinreden solltest.
    • Achte darauf, wessen Aufmerksamkeit du auf dich ziehen willst. Anstatt um generelle Anerkennung zu buhlen, bemühe dich lieber darum, von den Menschen gesehen zu werden, die dir wichtig sind.

    „Ich habe keine Zeit.“
    „Ich bin ständig gestresst.“

    Die Situation

    Dein Alltag ist so stressig, dass du nicht einmal mehr Zeit hast, eine Zeitung in Ruhe zu lesen. Ständig hast du etwas zu tun und wünschst dir insgeheim, dein Tag könnte mehr als 24 Stunden haben. Obwohl du ein echtes Multitasking-Talent bist, will es sich einfach nicht ausgehen, all deine Aufgaben rechtzeitig zu erfüllen. Und dann soll das Ergebnis ja auch noch herzeigbar sein – und nicht bloß „gerade ausreichend“. Deine To-do-Listen werden immer länger, für Ruhephasen bleibt kaum Zeit, und in deinem täglichen Sprachgebrauch macht sich das Wörtchen „muss“ erstaunlich breit.

    Der Weg zu mehr Eigensinn

    Gewinne die Entscheidungsfreiheit über deine Zeit zurück. Setze auf Autonomie und Selbstbestimmung, anstatt dich von außen steuern zu lassen.

    • Mache dir bewusst, dass du die Entscheidungsfreiheit über deine Zeit hast. Lass dich weder von anderen noch von dir selbst unter Zeitdruck setzen. Schon kleine Veränderungen helfen – zum Beispiel, indem du zeitdruckerzeugende Wörter vermeidest. Sag statt „Ich muss noch schnell …“ lieber „Ich werde …“.
    • Sei nicht immer und für jede:n erreichbar. Gönn dir bewusst Offline-Zeiten (Stichwort: digital detox).
    • Erkenne an, dass deine Zeit ein wertvolles Gut ist. Triff bewusst die Entscheidung, wem oder welcher Tätigkeit du deine Zeit widmen willst. Frag dich vorher: „Möchte ich das tun? Muss es genau jetzt sein? Was passiert, wenn ich es nicht tue?“
    • Du musst nicht immer etwas tun. Gerade aus dem Nichtstun oder aus scheinbar sinnlosen Tätigkeiten kannst du wertvolle Kraft schöpfen!

    „Ich bin nicht gut genug.“

    Die Situation

    Du musst dringend noch besser werden. Vielleicht solltest du früher aufstehen, häufiger Sport treiben, mehr arbeiten, weniger naschen, deine Eltern öfter anrufen, den Fußboden regelmäßiger wischen, endlich mit den Kindern die Englisch-Vokabeln lernen … Egal, was es ist, eines steht für dich fest: Du solltest wirklich noch mehr leisten! Und wenn wir schon dabei sind: Das, was du machst, könntest du auch noch ein Stück besser hinkriegen. Aus deiner Sicht ist die Sache klar: Du bist nicht gut genug, maximal mittelmäßig – alle anderen hingegen sind perfekt und haben ihr Leben viel besser im Griff als du!

    Der Weg zu mehr Eigensinn

    Verabschiede dich von deinem zermürbenden Perfektionismus, der dir außer Selbstvorwürfen, Zeitdruck und einem Gefühl der Unzulänglichkeit noch nie viel gebracht hat. Gut genug ist das neue Perfekt!

    • Sei zufrieden mit dir. Manchmal hilft es, einen Schritt zurückzutreten und deine Situation aus der Perspektive einer außenstehenden Person zu betrachten. Du wirst feststellen, dass du die Leistungen anderer oft viel milder bewertest als deine eigenen.
    • Erkenne die Stimme deines inneren Antreibers – und hör nicht auf sie! Werde aufmerksam bei Sätzen wie „Du darfst nicht …“ oder „Du musst …“ und hinterfrage diese Botschaften kritisch, bevor du darauf reagierst.
    • Fürchte dich nicht vor Kritik oder Fehlern – begrüße sie stattdessen bewusst in deinem Leben! An Kritik wachsen und aus Fehlern lernen wir; wahre Entwicklung geschieht immer außerhalb der Komfortzone.
    • Verabschiede dich vom Schwarz-Weiß-Denken. Es ist selten alles nur gut oder nur schlecht – die meisten Dinge liegen irgendwo dazwischen. Wenn du dir vornimmst, mehr Sport zu treiben, und mal eine Yoga-Einheit auslässt, hast du nicht versagt. Bleib dran, jeder Tag bietet dir eine neue Chance!
    • Werde vom Maximizer zum Satisficer. Während Maximizer immer alles perfekt machen wollen, sind Satisficer zufrieden, wenn es gut genug ist.
    • Bleib bei dir, anstatt dich mit anderen zu vergleichen. Und vor allem: Lass dich nicht von verzerrten Bildern in den sozialen Medien täuschen – sie zeigen nicht die Realität.

    Noch Fragen? Lass dich von uns beraten – persönlich oder online!

    Buchtipps & Quellen

    Ursula Nuber
    Eigensinn: Die starke Strategie gegen Burn-out
    und
    Depression – und für ein selbstbestimmtes Leben

    Ichiro Kishimi & Fumitake Koga
    Du musst nicht von allen gemocht werden:

    Vom Mut, sich nicht zu verbiegen

    Ursula Nuber
    10 Gebote für gelassene Frauen

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