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Post-COVID-Syndrom – Die langfristigen Auswirkungen von COVID-19

    Seit über einem Jahr befinden wir uns aufgrund von COVID-19 (Corona Virus Disease 2019) im Ausnahmezustand, der inzwischen gar keine so große Ausnahme mehr zu sein scheint. Die Angst vor einer Corona-Infektion ist dabei sehr unterschiedlich ausgeprägt. Nicht selten hören wir Aussagen wie: „Ich möchte mich nicht mehr fürchten müssen – wenn ich mich infiziere, habe ich es wenigstens hinter mir!“ Dieser Gedanke ist nachvollziehbar, dennoch gibt es abseits von schweren Verläufen einer akuten COVID-Infektion eine weitere Problematik, die nach dem traurigen einjährigen Jubiläum von Corona deutlich zum Vorschein tritt: das Post-COVID-Syndrom, auch bekannt als Long COVID. Was es damit auf sich hat? Wir fassen es kurz und verständlich zusammen – und verraten auch, was Betroffenen im Hinblick auf ihre psychische Gesundheit hilft!

    Das Post-COVID-Syndrom und seine Herausforderungen für Betroffene

    Beim Post-COVID-Syndrom bzw. Long COVID handelt es sich um die Langzeit- oder auch Spätfolgen einer COVID-Infektion. Diese können sich bereits während der Akutphase zeigen bzw. direkt aus dieser hervorgehen oder aber erst einige Zeit nach Abklingen der akuten Infektion auftreten. Betroffen ist etwa ein Drittel aller Genesenen, zu den häufigsten Symptomen zählen Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gliederschmerzen, Atemprobleme, Gedächtnisverlust und Konzentrationsstörungen. Aber auch Angststörungen, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen werden im Zusammenhang mit dem Post-COVID-Syndrom häufig diagnostiziert.

    Als besonders gravierend erleben Betroffene ihre Erschöpfungszustände, die stark an das Chronische Fatigue-Syndrom (kurz CFS) bzw. an Myalgische Enzephalomyelitis (kurz ME) erinnern. Insgesamt scheinen mehr Frauen als Männer von diesen Symptomen betroffen zu sein. Dasselbe gilt auch für Mädchen – obwohl bei Kindern insgesamt weitaus seltener Symptome nach einer Infektion auftreten, können auch sie vom Post-COVID-Syndrom betroffen sein. (Unseren Artikel zum Thema Erschöpfungszustände und Burnout bei Frauen gibt es hier nachzulesen.)

    Eine Erkrankung ohne Diagnose

    Neben der Tatsache, dass Betroffene stark unter den Symptomen des Post-COVID-Syndroms bzw. Long COVID leiden, stehen sie auch vor einer weiteren weiteren Herausforderung. Es existiert (noch) keine offizielle Diagnose des Syndroms, weshalb es nicht als Krankheit anerkannt ist. Das führt – trotz der bereits durchgeführten Studien und der Versorgung in medizinischen Post-COVID-Ambulanzen – zu einem Problem für Betroffene. Nach wie vor werden sie von vielen Ärztinnen und Ärzten nicht ernst genommen. Bestenfalls wird ihnen dann eine somatoforme Störung diagnostiziert. Und schlimmstenfalls wird ihnen unterstellt, ihre Symptome zu simulieren, um eine Krankschreibung zu erreichen.

    Patientinnen und Patienten, die am Post-COVID-Syndrom bzw. Long COVID leiden, werden dann zu Psychologinnen bzw. Psychologen oder zu Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten weiterverwiesen. Das ist grundsätzlich sinnvoll, denn das Post-COVID-Syndrom erfordert eine biopsychosoziale Diagnostik und Abklärung. Außerdem kann eine Psychotherapie oder psychologische Behandlung beim Umgang mit der Erkrankung helfen. Doch viele Betroffene haben Hemmungen und schrecken vor einer Psychotherapie zurück. Der Grund: Eine Psychotherapie hieße für sie, tatsächlich an einer psychischen Störung zu leiden. Daher bestreiten viele Betroffene den langen und kräftezehrenden Weg mit dem Post-COVID-Syndrom bzw. Long COVID ohne ausreichende psychosoziale Unterstützung.

    Ist alles bloß „Einbildung“?

    Uns ist es ein besonderes Anliegen, an dieser Stelle etwas anzumerken. Auch eine psychosomatische oder somatoforme Störung ist eine „richtige“ Erkrankung! Sie ist weder „eingebildet“ noch sind Betroffene „selbst schuld“ an ihrer Entstehung. In der Psychotherapie bzw. psychologischen Behandlung steht auch nicht die Klärung dieser Frage im Vordergrund. Viel mehr geht es um das Anliegen der Betroffenen, in ihrem Leid(en) gesehen und wahrgenommen zu werden. Es geht um die Akzeptanz der Erkrankung, den Umgang mit ihren Auswirkungen und das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten. All das soll trotz der vorhandenen Symptomatik bestmöglich gelingen.

    Betroffene, die am Post-COVID-Syndrom bzw. Long COVID leiden, brauchen viel Kraft. Kraft, um einen guten Umgang mit ihrer teils kritischen Umwelt zu finden, bis die Erkrankung offiziell Anerkennung findet. Um die momentanen Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu akzeptieren. Und Kraft, um diese Grenzen auch nach außen hin abzustecken und klar zu benennen. Sie brauchen ein geschultes Gespür für ihre eigenen Grenzen, für ihren Bedarf an Erholungsphasen und für persönliche Energiequellen.

    Post-Covid-Syndrom und Persönlichkeit

    Vorweg sei gesagt: Es gibt zu dieser Frage noch keine einschlägigen Forschungsergebnisse. Was es jedoch gibt, sind vielfältige Erfahrungen aus der Praxis – so auch aus unserer Psychotherapie bzw. psychologischen Behandlung. Viele Betroffene berichten uns, dass sie bereits vor ihrer Infektion zu den Menschen zählten, die ungern Nein sagen. Menschen, die – wann immer es möglich ist – für andere da sind und häufig in helfenden Berufen arbeiten. Sie vergessen oftmals auf die notwendige Selbstfürsorge und sind durch das Post-COVID-Syndrom nun gezwungen, sich mit ihren eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen

    Besonders die Erschöpfungszustände, die Stimmungsschwankungen und Symptome einer Angststörung konfrontieren sie mit ihren eigenen Möglichkeiten und Grenzen. All das sind Themen, die den Menschen meist nicht erst seit Ausbruch ihrer Erkrankung begegnen! Oft wirkt das Post-COVID-Syndrom viel mehr wie eine Art Vergrößerungsglas. Es zeigt Herausforderungen auf, die vorher bereits vorhanden, aber nicht so deutlich sicht- und spürbar waren. (Unseren Blog-Artikel zum Thema Grenzen gibt es hier nachzulesen.)

    Wer kann helfen? Psychotherapie und psychologische Behandlung bei Post-COVID

    Genau dort sehen wir den Bedarf für professionelle Unterstützungsangebote in Form von Beratung, Psychotherapie und psychologischer Behandlung. Wir unterstützen Sie im Umgang mit den Erkrankungssymptomen und ihren psychischen Auswirkungen und behandeln depressive Symptome, Erschöpfungszustände sowie Symptome der Angststörung. Außerdem helfen wir Ihnen dabei, mit Achtsamkeit und Selbstfürsorge Ihre eigenen Grenzen zu wahren!

    Zu diesem Zweck kooperieren wir auch mit der Selbsthilfegruppe „Long COVID Austria“. Sie ermöglicht Betroffenen in ganz Österreich Unterstützung und Vernetzung (Link siehe unten).

    Sie leiden unter dem Post-COVID-Syndrom? Lassen Sie sich von uns beraten – persönlich oder online!

    Lesetipps & Quellen

    Artikel zur aktuellen britischen Studie über das Post-COVID-Syndrom
    https://www.derstandard.at/story/2000125681698/wie-covid-19-gehirn-und-nerven-schaedigt?ref=article

    Link zur britischen Studie
    https://www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(21)00084-5/fulltext

    Selbsthilfegruppe für Betroffene des Post-COVID-Syndroms
    www.facebook.com/groups/longcovidat

    Artikel über das Post-COVID-Syndrom bzw. Long COVID im Ärzteblatt
    https://www.aerzteblatt.de/archiv/217002/Long-COVID-Der-lange-Schatten-von-COVID-19