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Back to the roots – Sichere Bindung bei Kindern fördern

    Die Bindung, die wir im Kindesalter zu unseren Bezugspersonen haben, beeinflusst nicht nur unser Beziehungsverhalten im Erwachsenenalter. Sie hat auch weitreichende Auswirkungen auf unsere spätere Gesundheit. Daher ist es wichtig, unsere eigenen Bindungsmuster zu reflektieren, im Umgang mit unseren Kindern achtsam zu sein und ihnen positive Bindungserfahrungen zu ermöglichen.

    In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf jene Eigenschaften und Verhaltensweisen, die eine sichere Bindung im Kindesalter fördern. In unserem nächsten Artikel beschäftigen wir uns dann mit den Auswirkungen unserer eigenen Bindungserfahrungen auf Beziehungen im Erwachsenenalter sowie auf unsere Gesundheit.

    Um zu verstehen, wie sichere Bindung bei Kindern gefördert werden kann, lohnt sich ein kurzer Blick auf die wichtigsten Eckpunkte der Bindungsforschung.

    Bindung – was ist das?

    Bindung bezeichnet laut dem britischen Kinderarzt, Psychoanalytiker und Bindungsforscher John Bowlby eine enge und überdauernde emotionale Beziehung von Kindern zu ihren Bezugspersonen. Diese Beziehung ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass Kinder die Nähe und Unterstützung dieser Bezugspersonen suchen. Das passiert, wenn sie beispielsweise starke Gefühle der Verunsicherung erleben, die sie nicht mehr selbstständig zu regulieren in der Lage sind.

    Die Ursprünge der Bindungsforschung gehen auf John Bowlby und Mary Ainsworth zurück. Insbesondere Ainsworth fokussierte sich in ihrer Forschung stark auf die Mutter-Kind-Bindung. Sie betrachtete außerdem vorrangig die Bindungserfahrungen im ersten Lebensjahr als ausschlaggebend für das gesamte weitere Bindungsverhalten.

    Aktuelles aus der Bindungsforschung

    Viele Erkenntnisse aus der Forschung von Bowlby und Ainsworth sind nach wie vor von großer Aktualität. Es gibt jedoch auch neue Ergebnisse, die ein paar Anpassungen der ursprünglichen Bindungstheorie erfordern. So konzentriert sich die aktuelle Bindungsforschung beispielsweise nicht mehr nur auf die Bindungserfahrungen im ersten Lebensjahr. Es hat sich einerseits gezeigt, dass auch spätere Bindungserfahrungen in der Kindheit und Jugend die persönlichen Bindungsmuster beeinflussen. Andererseits konnte festgestellt werden, dass Bindungsmuster sich durch beispielsweise eine Therapie verändern lassen. Außerdem ist die Bindungstheorie nicht mehr auf die Beziehung zwischen Mutter und Kind beschränkt. Viel mehr finden in der aktuellen Forschung Bindungserfahrungen mit allen wichtigen Bezugspersonen des Kindes Berücksichtigung.

    Vier Bindungstypen

    Abhängig von den Bindungserfahrungen können vier verschiedene Bindungstypen unterschieden werden.

    Sichere Bindung

    Sicher gebundene Kinder nutzen ihre Bezugspersonen als sichere Basis, von der aus sie die Umgebung erforschen. Sie sind emotional offen und können ihre Gefühle ausdrücken. In Abwesenheit der Bezugspersonen empfinden sie Stress, der sich in Anwesenheit der Bezugspersonen wieder reguliert.

    Unsicher-vermeidende Bindung

    Kinder dieses Bindungstyps zeigen häufig ein Kontaktvermeidungsverhalten und haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle offen zu zeigen. Die Abwesenheit der Bezugspersonen verursacht bei ihnen Stress, obwohl sie sich nach außen hin unbeeindruckt geben. Auch in Anwesenheit der Bezugspersonen sinkt der Stresspegel nur langsam.

    Unsicher-ambivalente Bindung

    Unsicher-ambivalent gebundene Kinder zeigen widersprüchlich-anhängliches Verhalten gegenüber ihren Bezugspersonen. Sie sind von Trennungssituationen überwältigt, können ihre Emotionen kaum regulieren und sind auch nach Wiederkehr der Bezugspersonen kaum zu beruhigen.

    Unsicher-desorganisierte Bindung

    Dieser Bindungsstil zeigt sich meist bei Kindern, die Opfer von Gewalt und Misshandlungen wurden. Sie stehen unter Dauerstress und zeigen oftmals völlige Emotionslosigkeit oder bizarre Verhaltensweisen (stereotype Bewegungen wie Schaukeln, Erstarren, Im-Kreis-Drehen,…).

    Die sichere Bindung fördern

    Es gibt einige Eigenschaften und Verhaltensweisen von Bezugspersonen, die eine sichere Bindung fördern und positive Bindungserfahrungen ermöglichen. Dazu gehören:

    Stabilität und Verlässlichkeit

    Für Kinder ist es bedeutend, dass ihre Bezugspersonen dauerhaft für sie verfügbar sind. Wichtige Bezugspersonen sollten weder ständig wechseln noch in vielen für das Kind wichtigen Situationen abwesend sein bzw. reagieren. (Häufige) Beziehungsabbrüche sowie der Wechsel oder Verlust von Bezugspersonen wirkt sich negativ auf die Bindung aus.

    Feinfühligkeit und Zuwendung

    Säuglinge und Kleinkinder sind existenziell von der Zuwendung ihrer Bezugspersonen abhängig. Es ist daher notwendig, dass Bezugspersonen sich für das Kind und seine Bedürfnisse interessieren. Eine sichere Bindung setzt voraus, dass sich Bezugspersonen dem Kind einfühlsam und mit liebevoller Aufmerksamkeit widmen und bemüht sind, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und zu erfüllen.

    Angemessene Reaktion auf Bedürfnisse

    Kinder machen positive Bindungserfahrungen, wenn ihre Bedürfnisse Beachtung erfahren. Neben der Zuwendung der Bezugspersonen ist auch eine angemessene Reaktion auf das geäußerte Bedürfnis wichtig. Eine angemessene Reaktion bedeutet, dass sie zeitlich nahe der Bedürfnisäußerung (z.B. Weinen) erfolgt. Außerdem entspricht sie dem Bedürfnis (auf Hunger wird mit Füttern reagiert).

    Ermutigung zur Selbstständigkeit

    Bezugspersonen, die ihrem Kind eine stabile Basis bieten, fördern die sichere Bindung. Wichtig dabei ist es, dem Kind Unterstützung und Sicherheit zu vermitteln, es aber auch zu ermutigen, seine Umwelt zu erkunden. Das Kind wird dabei von den Bezugspersonen in seiner Autonomie, seiner Selbstständigkeit und seinem Entdecker*innengeist gestärkt, ohne gedrängt zu werden.

    Konsistenz

    Eine wichtige Voraussetzung für eine sichere Bindung ist konsistentes Verhalten von Bezugspersonen. Das bedeutet, sie zeigen ähnliche Reaktionen auf ähnliches Verhalten. Dadurch vermitteln sie dem Kind Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit. Verhalten sich Bezugspersonen in vergleichbaren Situation ambivalent, wird das Kind mit Verunsicherung reagieren. (Beispielsweise, wenn Bezugspersonen auf ein Verhalten einmal mit Lachen und einmal mit Schimpfen reagieren.)

    Kongruenz

    Widersprüchliche Signale oder Verhaltensweisen von Bezugspersonen verunsichern Kinder. Deshalb ist es wichtig, dass der Gefühlsausdruck mit dem Verhalten und dem Gesagten übereinstimmt. Inkongruentes Verhalten, also Verhaltensweisen, die aus Sicht des Kindes nicht zusammenpassen, führen zu Verunsicherung. (Beispielsweise, wenn Bezugspersonen auf ein bestimmtes Verhalten mit einem Lachen reagieren, jedoch gleichzeitig den Kopf schütteln und außerdem noch schimpfen.)

    Sind Bindungserfahrungen „erblich“?

    Studien haben gezeigt, dass Bindungsmuster gewissermaßen weitergegeben werden. Daher ist klar: Wie wir mit unseren Kindern umgehen, ist stark geprägt von unseren eigenen Bindungserfahrungen. Aber auch unser Verhalten in Beziehungen zu anderen Erwachsenen sowie unsere (körperliche und psychische) Gesundheit werden von unseren Bindungsmustern beeinflusst.

    Es ist daher wichtig, das eigene Bindungsverhalten zu reflektieren und möglicherweise auch zu verändern. In unserem nächsten Artikel erwarten Sie dazu einige interessante Einblicke!

    Noch Fragen? Lassen Sie sich von uns beraten – persönlich oder online!

    Buchtipps & Quellen

    Klaus Grawe
    Neuropsychotherapie

    (2004)

    Mary Ainsworth, Mary Blehar, Everett Waters & Sally Wall
    Patterns of Attachment:

    A psychological of the strange situation
    (1978)

    Klaus Grawe
    Psychologische Therapie
    (2000)

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